Alkalitreiben und seine Vermeidung

   


Betontreiben

Beton als rigider Baustoff kann auf Volumenzunahmen
  • gegenüber inneren Widerständen
  • gegenüber äußeren Widerständen
  • von Zuschlagkörnern gegenüber der Matrix
  • der Matrix gegenüber den Zuschlägen
nicht unbegrenzt schadfrei reagieren [1-13]. Gewöhnliche Formänderungen sind temperatur- und/oder feuchtigkeitsbedingt. Darüber hinaus verträgt Beton ein gewisses Maß an bleibender Verformung. Steigende Volumenzunahmen wirken sich im ersten Fall durch Vorwölbung gegen die ausmittige Bewehrung (Bild 1a) bzw. Querdehnung und vorspannungs- oder bewehrungsparallele Risse aus (Bild 1b; abgeräumter Überbau des Knotens Jena-Lobeda; nach Verdacht auf AKR-Schädigung in allen Teilen der Brücke wurde der Autor von Frau Dipl.-Ing. Christiane Ehrhardt, SDS bzw. Verkehrsplanungs- und Tiefbauamt Jena (seit 23.09.2011 Präsidentin der BSVI), 1989 mit der Begutachtung beauftragt), im zweiten Fall durch Stauchung und Vorwölbung bzw. Querdehnung mit Rissbildung (Bild 2), im dritten Fall durch meist drei sternförmige Risse um bestimmte Körner mit quellenden Neubildungen (Bild 3) und im vierten Fall durch Abheben der Matrix vom Korn und eine Ringraumbildung um dieses (Bild 4) und, wie im dritten Fall auch, durch mosaikartige Zerstückelung des Betons (infolge Netzriß- oder Landkartenrissbildung, Bild 5). Durch dynamische und/oder Witterungseinflüsse kann das Szenario verstärkt werden. Die Wohnungsbauelemente und die ab 1980 registrierten und vom Verfasser untersuchten Spannbetonschwellen sowie andere Vorfertigungserzeugnisse (Schleuderbetonmasten, Brückenträger, Winkelelemente, Balkonelemente usw.) wiesen einen mehr oder weniger hohen Treibreaktionsanteil durch Wärmebehandlungsschädigung auf [1] und werden hier nur gestreift. Sowohl bei Treibursachen als auch bei den Reaktionsformen kann es Kombinationen bzw. Wechselwirkungen geben. Kurzdarstellung von Bindemitteln und Bindemittelreaktionen s. Korrosion an Bindemitteln; Formeln treibender Neubildungen s. [8].

Die Vermeidung einer betonschädigenden Reaktion muß auf ein Netzwerk von ermittelten stofflich-technologischen Einflussfaktoren und deren Quantifizierung gegründet werden. Durch Verlassen der qualitätssichernden Maßnahmen der 1980er Jahre in den 1990er Jahren (insbesondere in Rethwisch) treten jetzt - nach etwa einem Viertel der normativen Nutzungszeit - umfangreiche Folgeschäden an Spannbetonschwellen auf, vor allem im Streckenbereich Berlin - Hamburg .

Schäden waren in Fülle im staatlichen Wohnungsbau der Bezirke Rostock, Schwerin und Neubrandenburg (kurz Nordbezirke) aufgetreten und von den örtlichen Bauaufsichtsbehörden (Rostock), vom Stadtbaudirektor Rostock und vom Kombinat Industrie- und Hafenbau Stralsund seit 1974 bereits fünf Jahre lang an zentraler Stelle reklamiert worden, zuletzt direkt beim Ministerium für Bauwesen, nachdem das Zementkombinat Dessau geantwortet hatte, „wir fertigen Zement nach TGL, am Zement kann es nicht liegen“. Kurz danach wurden im Ortbeton von Verkehrsbauwerken (vor allem der Autobahn 19) sowie Stadtstraßenbrücken flächendeckend gleiche Schäden entdeckt, aber auch im Raum Berlin und Magdeburg. Eine statistische Bilanz der Ortbeton-Schadensobjekte ist in [1] enthalten, naturerhärtete Erzeugnisse darüber hinaus auch in [2].

Ab 1982 tauchten zunehmend Schäden aus Betonen mit Zuschlägen aus mittleren und südlichen Regionen auf, also südlich einer Linie Unterelbe – Potsdam – Frankfurt (Oder) [5; 7].
1a) Vorwölbung

1b) Rißbild bei Vorspannung

2) Stauchung

3) Quellende Neubildung

4) Ringraumbildung5) Ringraumbildung und Netzrisse
Beide Treibreaktionen sind zwar stofflich weitgehend unterschiedlich bedingt, aber sie haben äußerliche Ähnlichkeiten und können gemeinsam auftreten. Wenn das AKR-Potential ausreichend bzw. überkritisch ist und in einem entsprechenden Gemenge infolge rüder Wärmebehandlung die primäre Ettringitbildung gestört oder behindert wird, kann es zu kombinierten Schädigungen kommen. Oft ist der SEB-Anteil höher. Er setzt im Dehnungsgeschehen meist später ein, kann aber die AKR-bedingte Dehnung um ein Mehrfaches übersteigen, die Dehnungskurve hierfür wirkt dann wie eine Hüllkurve für den manchmal schon dehnungsberuhigten AKR-Anteil des komplexen Szenarios. An Hand von Betonbohrkernen aus wärmebehandelten Erzeugnissen (Spannbetonschwellen, Brückenfertigteilen, Winkelelementen, Fassadenelementen der Plattenbauten, Schleuderbetonmasten) konnte dieser Zusammenhang vom Autor vielfach analysiert und zur gezielten Prophylaxe genutzt werden. Im Vergleich Nord- und Südprovenienz der AKR-Schäden mit den SEB-Schädigungen (bzw. deren Anteilen bei komplexem Geschehen) stellte sich heraus, daß erstere von den letzteren dehnungs- und schadensbezogen weit übertroffen werden.
Über die vorfertigungsbedingten Schäden hinaus kann auch die primäre Ettringitbildung als Schadensursache auftreten, so z. B. beim Einbau von Zement-Erdstoff-Gemengen in Überbauungsstrecken auf gips- und/oder anhydritführenden Mergel- und Tongesteinen (Gipskeuper im Gebiet bei Nürnberg, Pelitröt in Thüringen, wie neuerdings beim Autobahnbau; laut dpa-Meldung vom 29.03.2008 soll die Ursache jedoch nicht bekannt sein). Fahrbahnhebungen können die Folge sein. Diese Schadensart wird in die nachfolgenden Vergleiche AKR/SEB nicht weiter einbezogen. Auch eine dpa-Meldung vom 26.02.2008 kann in bezug auf die Schadensproduktion und -ursachen bei (Rethwisch-Möllenhagener) Spannbetonschwellen früherer Produktionszeiten irritierend wirken: in der Zeit von 1954 bis 1991 sind 31 Jahre lang langzeitstabile Schwellen produziert worden und nur von einschl. 1976 bis 1981 langzeitunbeständige Schwellen (nach dem Gutachten von 1981, beginnend ab Ende Oktober mit MKZ Wolfen und ab Januar 1982 wieder mit MKZ Coswig, infolge Durchsetzung der Zementumstellung wieder stabile Schwellen).

Die folgenden Darstellungen und Beispiele erläutern die Unterschiede und äußeren Gemeinsamkeiten beider Schadensarten bzw. -anteile.
Gemeinsamkeiten und Unterschiede von/zwischen AKR und SEB (aus Vortrag für Massivbau-Seminar Leipzig am 14.03.1997)

Unterschiede zwischen AKR und SEB, Schema (blau) nach Vagn Johansen et al., aus [8], Sternrisse bei AKR (links), Ringraumbildung bei SEB (rechts), s. auch Johansen, Vagn, Thaulow, Niels u. Skalny, Jan (1995, eingefügt: 07.04.2011): Betonrißbildung durch innere Reaktionen - Internal Reactions Causing Cracking of Concrete.- Concrete Precasting Plant and Technology, Seiten 56 - 68.

Unterschiede zwischen AKR (frühere Näherung an Null-Dehnungsrate) und SEB, aus [8], (später und höher ansteigende Dehnung mit "Hüllkurvencharakter" über der AKR-Dehnkurve; Differenz bis 120d entspricht der wärmebedingten Passage des Pessimums bei ca. 40°C)



Neuanstieg der Dehnungskurve nach AKR-Dehnungsberuhigung (SEB-Kurve)
wirkt wie "Hüllkurve"; aus Gutachten und FE-Bericht 1988.


Dehnungsbeispiele (Formkörper in Nebelkammer bis Dehnungsstillstand) seit 1980 bis 1997, aus [8], (Hauptunterschied zwischen AKR und SEB, untergeordnet zwischen N- und S-Provenienz)



 
Liste der im Bild verwendeten Texte (Beispielnummern s. Diagramm oben)


Das Spektrum der Schadensentwicklung wird häufig klassifiziert, wobei Dehnbeträge einerseits und verbale Schadens- oder Stadiumbeschreibungen andererseits korreliert werden müssen. In der Vorläufertabelle [9], die vor allem Voraussetzung für die rechentechnische Behandlung war, wurde der Schadenszustand 5 mit >10 mm/m und einem mittleren Expansionswert mit 17,50 mm/m angegeben; dies entspricht einem angenommenen Maximaldehnwert von 25 mm/m (im IfB an Spannbetonschwellen-Bohrkernen real gemessene 24 mm/m aufgerundet). Dieser Dehnwert ist aber der Restdehnwert von vorgeschädigten Objekten (in diesem Fall Spannbetonschwellen).

Es soll aber aus Restdehnung und der auf Grund der Tabelle angenommenen Vorschädigung eine fiktive Gesamtdehnung/Gesamtschädigung errechnet bzw. vorausbestimmt werden. Geht man von einer maximalen Vorschädigung von 3, also von maximal 5 mm/m angenommener Vorschädigung aus, dann erhält man als fiktiven Gesamtbetrag die Summe von 29 mm/m. Die hier angegebene Tabelle ist also gegenüber der Vorläufertabelle für die Summenbildung aus angenommener Vorschädigung und Restdehnung = fiktive Gesamtdehnung/Gesamtschädigung erweitert worden.
Sowohl die Nullpunks-Bestimmung („kein Schaden“) als auch die angenommene Gesamtdehnung bedurften gründlicher Überlegungen und sollten durchaus zur fachlichen Diskussion herausfordern. Hinter dem Stadium 0 (kein Schaden) sollte man die folgende Überlegung sehen: 0,25 mm/m (ungefähre Feuchteausgleichquellung nach raumtrockener Einlagerung) + 0,25 mm/m irreversible, feststoffliche, nicht schädigende Dehnung = Maximalwert von 0,50 mm/m. Dabei muß eben zugegeben werden, dass der Wert 0,50 mm/m ein heterogener Wert ist, aber auch bei der Weiterentwicklung nach Erreichen der Ausgleichquellung wird – bei eintretender Gelbildung – noch weiter (anteilig) Wasser aufgenommen und gebunden [2].

Diagramm zur Summenbildung (fiktive Gesamtschädigung) aus Dehnung der Vorschädigung und Restdehnung (Nebelkammerlagerung):

Abschließend sei vermerkt, dass auch die bisher einmalig gemessene AKR-bedingte Maximaldehnung (Nebelkammer) von Bohrkernen von 10 mm/m aus einem vorgeschädigten Ortbetonobjekt (Rostock) stammt, das das Schadensstadium 2 aufwies, sich also die fiktive AKR-bedingte Gesamtdehnung von mindestens 11,75 mm/m ergibt.
Das Verhältnis von anteiliger AKR-bedingter zu anteiliger SEB-bedingter Dehnung am gleichen Objekt ist in [1] beschrieben.

Für die rißstatistische Verfolgung dehnungsaktiver Objekte wurde im IfB Weimar (MFPA) die Testquadratmethode entwickelt und vorwiegend in den 1980er Jahren quartalsweise auf Widerlager, Platten, Masten, Schwellen u. ä. im Vorzugsformat von einem Quadratmeter angewandt und im IfB ausgewertet (hier ein Beispiel von 16 Testquadraten auf einem Widerlager einer Brücke im Zuge der B 109 bei Berlin im Auftrag der SenBauWohn Berlin):